Wie entwickelt sich der deutsche Onlinehandelsmarkt? Um diese Frage zu beantworten, hat iBusiness die jüngsten Umsatzzahlen der deutschen Top-1.000-Onlineshops in Relation zur aktuellen Hochrechnung des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (BEVH) gesetzt. Susan Rönisch hat sich das Ganze in der Novemberausgabe des iBusiness Executive Summary genauer angeschaut. Wir möchten die aus unserer Sicht wichtigsten Fakten an dieser Stelle zusammengefasst wiedergeben.
Generell lässt sich sagen, dass die deutschen Onlinehandelsumsätze weiter steigen: Mit 39,6 Milliarden Euro hat der Gesamtumsatz der Top-1.000-Onlineshops im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent zugelegt. Laut Rönisch ist das „ein beachtlicher Erfolg, von dem allerdings nicht alle Händler gleichermaßen profitieren.“ Doch warum ist das so?
Rönisch erklärt, dass die großen Onlineshops überproportional am Branchenwachstum beteiligt sind – und zwar auf Kosten der kleineren Shops, dem Segment der Top 101 bis Top 1.000. Hinzu kommt, dass auch der Long Tail (Shops 1001+) wächst, wodurch die kleinen Shops zusätzlich unter Druck geraten, somit „entfällt das Umsatzwachstum von elf Prozent in der Top 1.000 hauptsächlich auf die Plätze 1 bis 500 des Rankings, während die Umsatzentwicklung der Shops in der zweiten Hälfte zunehmend nach unten zeigt.“
Schaut man sich den Vier-Jahres-Vergleich von 2013 bis 2016 an, so fällt auf, dass der Anteil der Top 10 der deutschen Onlineshops am gesamten Onlinehandelsumsatz so gut wie gleichbleibt (2013: 28,6% vs. 2016: 29,8%), wobei Amazon nach wie vor den größten Anteil für sich behaupten kann (15,4%). Der Anteil von Amazon an den 1.000 umsatzstärksten Shops macht – ähnlich wie vor 4 Jahren – 20,5% aus. Rönisch stellt insgesamt fest, dass „die Konzentration im deutschen ECommerce-Markt […] auf sehr hohem Niveau bleibt, […] sich allerdings leicht nach oben verschiebt.“
Grundsätzlich lässt sich anhand des Vier-Jahres-Vergleichs feststellen, „dass sich der deutsche Onlinehandelsmarkt mittlerweile sehr stabil, fast homogen entwickelt“, während „die kleinen, weniger professionellen Onlineshops […] offenbar dem Preisdruck und den steigenden Markt-Anforderungen z.B. an das Onlinemarketing immer weniger standhalten können […].“ Was besonders heraussticht ist, dass die Top 1 – Amazon – „für mehr als die Hälfte des Umsatzes der Top-10-Onlineshops verantwortlich ist.“ Amazon besitzt somit eine einzigartig starke Marktposition.
Am Ende greift Rönisch jene iBusiness-Thesen der Vergangenheit auf, die aus Ihrer Sicht weiterhin Bestand haben:
Abschließend hält Rönisch fest, dass der Trend des letzten Jahres auf dem deutschen ECommerce-Markt auch weiterhin Bestand hat: Alles was „Richtig groß“, „Marktplatz“ sowie „klein und spezialisiert“ ist, hat Erfolg, wohingegen „durchschnittlich und ohne klare Fokussierung“ kaum erfolgsversprechend ist.
Welche Schlussfolgerungen sollten Online Shops aus den Erhebungen der iBusiness ziehen? Wir haben versucht, unsere Gedanken zu diesem Thema nachfolgend zusammenzufassen.
Versuchen Sie nicht, gegen Amazon zu kämpfen, sondern weichen Sie in Nischen aus, die Amazon nicht ausfüllt. Auch wenn diese Aussage banal klingt, so ist sie dennoch entscheidend. Überlegen Sie sich: Welche Gründe könnte es für einen Kunden geben, in Ihrem Shop anstelle von Amazon zu kaufen:
Wenn Sie bzw., besser noch, Ihre potenziellen Kunden alle Fragen ehrlich und ernüchternd mit „nein“ beantwortet haben, dann sollten Sie sich überlegen, ob Ihr Geschäftsmodell langfristig Bestand haben kann. Braucht es wirklich 100 Online Shops, die alle den gleichen Nike Schuh verkaufen?
Amazon ist unbestritten der Nummer 1 Online-Marktplatz. Doch was macht den Onlineriesen aus Seattle eigentlich so stark? Zunächst einmal lässt sich hier sicherlich das große Angebot und die breitgefächerte Produktpalette nennen. Handelte es sich zu Beginn um einen Online-Bücherhandel, kann man heute praktisch alles auf Amazon erwerben – vom Pullover, über die Teekanne bis hin zum Gartenschlauch – auf Amazon findet man einfach alles! Ein entscheidender Faktor für den Erfolg Amazons ist heutzutage auch seine Markenbekanntheit. Die Marke Amazon ist stark und das schafft Vertrauen beim Kunden, der seinen Online-Einkauf oft direkt bei Amazon beginnt. Um diese kauf-affinen Kunden, die Ihren Einkauf nicht über eine Suche bei Google und Co starten, dennoch erreichen zu können, eignet sich Amazon als Verkaufskanal. Die eigenen Produkte innerhalb von Amazon zu listen kann unter bestimmten Umständen ein sehr lukrativer Absatzweg sein:
Selbstverständlich bringt eine Listung der eigenen Produkte auf Amazon nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich. Die Gefahr eines kostenintensiven Preiskampfes sowie die Verdrängung der eigenen Produkte durch Amazon selbst gehören unweigerlich zu nicht ignorierbaren Risiken. Geringer werden diese Risiken, wenn Sie den Verkaufskanal Amazon ausschließlich für Waren nutzen, zu denen Amazon selbst keinen Zugang hat. Ein Beispiel dafür könnte der Vertrieb von Eigenmarken sein. Bei diesen besteht für Amazon keine Möglichkeit, eine eigene Beschaffung aufzubauen und Sie als Händler aus der Wertschöpfungsketten auszuschließen.
Sicher ist: Die Entwicklung des deutschen E-Commerce Marktes verläuft nicht überraschend bzw. sprunghaft. Die Studie der iBusiness zeigt klare Perspektiven auf, wie man auch als kleiner Händler erfolgreich agieren kann. Aus unserer Sicht entscheidet letztlich die richtige Strategie: Nutze ich Amazon clever, um von der unangefochtenen Marktführerschaft zu profitieren? Schaffe ich es zudem, einen USP – über das Kernprodukt hinaus – bereitzustellen, der für den potenziellen Kunden einen ausreichenden Besuchsgrund des eigenen Online Shops darstellt? Wenn das eigene Produkt sowie das kommunikative Umfeld beliebig austauschbar sind, dann ist nicht Amazon „schuld“ an der eigenen Marktsituation – es fehlt schlichtweg eine geeignete Strategie.